3. Juni 2018

Mobbing und Cybermobbing: 835 Anzeigen und 15.000 Opfer! – wie ist das möglich?

Die Statistik des Jahre 2017 – es gab 835 Anzeigen wegen (schwerer) Körperverletzung – ist schon eine schlimme Zahl. Noch viel schlimmer und dramatischer sind aber die tatsächlichen Opferzahlen, die aus meiner praktischen Erfahrung – und die deckt sich sehr genau mit vielen Studien – in Österreich bei mind. 15.000 Opfern liegen dürfte.

Wie ist das möglich und wie konnte es dazu kommen, werde ich sehr oft gefragt. Die Antwort ist komplex, liegt aber in Österreich selbst begründet und trotzdem gebe ich niemand die Schuld. Jemanden die Schuld zuzuweisen bedeutet nichts anderes, als sich selbst um die eigene Verantwortung zu drücken!

Zu geringe Kompetenzen bei den Eltern
Es gibt praktisch keine Schulungen für Eltern zum Thema „Medienkompetenz“. Am Beginn meiner Seminare frage ich mit einer Methode die Eltern anonym ab, wie es ihnen zuhause mit diesem Thema geht. Sie haben nach den Schulnoten die Möglichkeit die Note 1 für „sehr gut“ bis zur Note 5 „überhaupt nicht gut“ hinzuschreiben und schreiben sehr oft die Noten 7 oder 8 für ihre Überforderung hin.

Die Kinder und Jugendlichen erzählen den Eltern und PädagogInnen nichts von ihrem Leiden, weil sie gerechtfertigter Weise falsche Reaktionen erwarten; wir sagen „gut gemachtes Mobbing | Cybermobbing erkennst du nicht“! Dabei wäre es „leicht“ Kinder, Jugendliche, Eltern und PädagogInnen soweit zu schulen, dass dieses „No-Go“ in der Peergroup ausgehebelt und das dadurch erst gar keine Opfer entstehen, oder den Opfern nicht erst nach vier oder sechs Jahren oder gar nie geholfen werden kann, sondern sofort!

Zu geringe Kompetenzen bei den MultiplikatorInnen
Dazu zählt der Bildungsbereich als Gesamtes. Die vielen – mittlerweile tausenden MultiplikatorInnen – sind jedes Mal sehr, sehr dankbar über Hilfestellungen für den Alltag; das gilt auch die tausenden Eltern, die ich in den letzten 15 Jahren betreut habe.

Keine Ansätze in den Gemeinden
Die (Groß-)Familie, die ich noch kenne, die gibt es kaum mehr. Daher verlagern sich die dafür erforderlichen Kompetenzen immer mehr hin zu den Gemeinden; zu den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Das Interesse als kommende „Ersatzfamilie“ einzusteigen ist allerdings sehr gering. Während in Deutschland z.B. mit „CTC – Communities That Care“ – Prävention in den Gemeinden vernetzt, zielgenau und wirksam als Prävention nach Maß immer mehr „in Mode“ kommt, bleibt in Österreich alles beim Alten.

Ganzheitlich
Wir brauchen „ganzheitliche Ansätze“, um den tausenden Kindern und Jugendlichen helfen zu können. Das heißt, ich habe dafür die Trainerausbildung für „Medienhelden“, einem Präventionsprogramm für (Cyber-)Mobbing in Berlin und eine weitere Ausbildung zum „Zertifizierten Fachberater für systemische Mobbing-Intervention in Schule und Jugendhilfe“ in Stuttgart absolviert.

Das heißt konkret, es braucht nicht nur einem guten Mix an theoretischen Ausbildungen, sondern gleichsam ein profundes Praxiswissen, um erfolgreich zu sein und es erfordert darüber hinaus ein kompetentes Vernetzung- und Kooperationsmanagement auf Augenhöhe.

Kosten
Neben dem immensen Leid – ich konnte im Vorjahr (2017) 28 Opfern helfen und hatte im heurigen Schuljahr bisher nur eine Klasse in Kärnten in der kein Opfer saß – sind die Kosten für die sozialen, kognitiven und emotionalen Schäden bis hin zu schweren Traumata der Kinder und letztlich erwachsenen Opfer enorm und könnten mit mehr „Empathie“ seitens der Entscheidungsträger stark vermindert werden.

Zukunft
Ich bin ein durch und durch positiv denkender Mensch und habe – leider – trotzdem kaum Hoffnung, den Kindern, Eltern und MultiplikatorInnen quantitativ, also flächendeckend, helfen zu können. Diese Hoffnungslosigkeit, mit der ich seit über 30 Jahren kämpfe, liegt in unserer eigenen österreichischen Reparaturlogik begründet. Wir lassen die tausenden Opfer zuerst „in den Brunnen fallen“ und kommen dann – oft als „Aufdecker“  – daher und fordern strengere Strafen.

Ein absolut untaugliches Mittel im Kampf gegen jede Art und Form von Gewalt; von der sexualisierten bis zur häuslichen Gewalt, von Mobbing bis Cybermobbing und letztlich dem Extremismus. Das einzig wirksame Konzept um Änderungen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen ist Prävention; auch wenn es dauert!

Seit über 30 Jahren versuche ich Ansprechpartner in Wirtschaft, Politik und Medien zu finden; das Ergebnis bis heute ist auf Bundesebene praktisch „NULL“!

Mein Einsatz für Menschen, dass sie nicht Opfer werden und für Menschen, die schon Opfer sind, wird weitergehen; auch wenn es manchmal nicht mehr ist, als der sprichwörtliche „Tropfen auf dem heißen Stein“!

Meinen Wunsch habe ich schon viele Male geäußert und mache das auch heute wieder: „Wir brauchen entweder auf politischer Bundesebene – angesiedelt beim Hr. Bundeskanzler und Hr. Vizekanzler – oder über die österreichische Wirtschaft gestützt, eine bundesweit tätige, interdisziplinär besetzte und ganzheitlich arbeitende Präventionsplattform zum Schutz und zur Stärkung unserer Kinder; und unserer Zukunft!

Günther Ebenschweiger
Präsident und Geschäftsführer

www.aktivpraeventiv.at
www.aktiv4u.at
www.praeventionskongress.at
www.praeventionspreis.at
www.beccaria.at
www.medienhelden.at
www.polizeipraxis.at