Oktober 10, 2020 5:09 pm

Männergewalt

Die aktuelle Situation zeigt in vielen Studien; Gewalt gegen Frauen im Kontext Beziehung und Familie hat zugenommen und damit sind zusätzlich noch mehr Kinder als schon bisher betroffen!

Dazu werden Gesetze verschärft, Kampagnen finanziert und die Intervention, d.h. Frauen nach jahrelangem oder sogar jahrzehntelangem Leid und massiven physischen und psychischen Verletzungen und Schädigungen, geschützt und gestärkt. Intervention ist absolut wichtig und entscheidet vielfach auch über Leben und Tod! 

Diese Maßnahmen reichen aber nicht!

Der bisherige einseitige Weg gegen Gewalt an Frauen ohne Prävention reicht nicht, weil damit nur rund 18 Prozent der Frauen geholfen werden kann und nur die weiblichen und kindlichen Opfer in den Fokus nimmt und nicht die gewalttätigen Männer!

Jedenfalls bleiben 82 Prozent der Frauen – die aus tausend Gründen den Weg zur Polizei bzw. in die Öffentlichkeit scheuen – im Dunkelfeld und damit für uns unsichtbar!

Das heißt konkret:

  1. Für 100 Prozent der Frauen, Kinder und auch Männer gibt es keine Prävention, um Gewalt zu verhindern;
  2. für 82 Prozent der Frauen und Kinder gibt es keine Prävention, um sie rasch – und am besten niederschwellig und unbürokratisch – aus dieser Opferrolle zu befreien;
  3. die Kosten für diese vermeidbaren Schäden gehen in die Milliarden und wir tun so, als wäre das eine Kleinigkeit;
  4. die Opfer erleiden durch die Gewalt massive körperliche, emotionale und seelische Schädigungen mit langfristigen Folgen bis zum Trauma und 
  5. wir multiplizieren damit Gewalt, d.h. Kinder, die zuhören, sehen und spüren verinnerlichen diese Gewaltmuster und werden wieder zu Opfern oder TäterInnen.

Es gibt also viele nachvollziehbare Gründe, Gewalt gegen Frauen und Kinder – und dazu zähle ich auch sexualisierte Gewalt und Mobbing – durch Prävention überhaupt zu verhindern und – wenn es schon Opfer gibt – diese so rasch wie möglich aus dieser Opferrolle zu befreien; und trotzdem passiert das nicht und ich frage mich warum?

Intervention und Prävention

Ich sitze mit einer Entscheidungsträgerin zusammen und wir diskutieren über dieses Thema. Das erste, was ich zu hören bekomme, ist, dass schon sooviel für Frauen getan wird. Auf meinen „Einwand“, dass das so nur für die Intervention, die aber nur für rund 18 Prozent der Frauen erreicht, gilt, entschuldigt sich die Frau und sagt: „Hr. Ebenschweiger, entschuldigen Sie, aber ich – und ich muss sagen, das gilt vermutlich für viele von uns – bin so sozialisiert worden und wir brauchen immer rasche „Lösungen“; und das ist nun mal die Intervention. 

Sie haben aber Recht, wir bräuchten beides, Intervention und Prävention und wir bräuchten einen gesellschaftlichen Perspektivenwechsel hin zu präventiven Ansätzen, um Gewalt überhaupt zu verhindern oder diese stark zu reduzieren.“

Vor-Ort-Hilfe-Strukturen

Ich habe es schon oft geschrieben, mich rufen ­– weil sie mich durch meine vielen präventiven Aktivitäten in Österreich kennengelernt und Vertrauen gefasst haben – weibliche Jugendliche und Frauen an, erzählen mir von ihrem Martyrium, von verbalen Drohungen, von Angriffen mit Messern, von sexualisierter Gewalt, bis hin zu Vergewaltigungen und ersuchen mich um Hilfe.

Ich frage mich in solchen Situationen, warum landen diese Hilferufe bei mir und nicht bei den dafür geschaffenen Ansprechstellen. 

Erfahrungen nach über drei Jahrzehnten Prävention:

„Hochschwellige Komm-Strukturen“ brauchen ein – ich nenne es mal – Gleichgewicht oder Balance durch niederschwellige, präventive und durchaus auch aufsuchende „Vor-Ort-Hilfe-Strukturen“. 

Intervention und Prävention müssen gut aufeinander abgestimmt sein, auf Augenhöhe kommunizieren, finanziell abgesichert sein, brauchen ein gut funktionierendes Netzwerk- und Kooperationsmanagement, sie brauchen kurz gesagt Balance und müssen professionell agieren, um für die Frauen – und nicht zu vergessen – für die Kinder, Gewalt im Keim zu ersticken.

Der Nutzen für alle

Frauen und Kinder würden weniger bis gar keine Gewalt mehr erfahren, Männer bekämen früher Hilfe ohne als Monster dazustehen und die Gesellschaft – also wir alle – würden uns Milliarden an Kosten ersparen; riesige Vorteile für alle und trotzdem für EntscheidungsträgerInnen bis heute keine Option!

Mein dringender Appell

Unterstützen wir mit Prävention Frauen, stärken wir Männer und schützen wir damit auch Kinder und uns als Gesellschaft in Zukunft vor Gewalt!

LG
Günther Ebenschweiger