23. November 2018

Wie aus „Rot-Weiß-Rot“ (hoffentlich nicht) „Schwarz-Weiß“ wird!

In meiner Arbeit vor Ort bei (Kindern) Jugendlichen und Erwachsenen wird offensichtlich, dass sich das soziale Klima stärker polarisiert hat. Vorurteile und Diskriminierung werden zunehmend salonfähig und damit scheinbar immer „normaler“ und gefährlicher.

Der vermutete Hintergrund
War es zuerst die öffentlichkeitswirksame Inszenierung der Islamisten | Dschihadisten des Kampfes, des Krieges, des Tötens, so sind heute westeuropäische Gesellschaften mit einer deutlichen Zunahme rechtsextremer und islamistischer SympathisantInnen konfrontiert. Dies geht einher mit einem starken Anstieg von Hasskriminalität beider Lager; rassistische Hasskriminalität ist geradezu zum bitteren Alltag geworden.

Rechtsextreme wie islamistische AkteurInnen agieren aber nicht in einem Vakuum. Sie versuchen, über verschiedene Mittel polarisierend auf den gesellschaftlichen Diskurs einzuwirken. Ihr Ziel ist es, Grauzonen zu eliminieren und abweichende Lebensformen durch die Unterordnung unter kollektive Zwänge auszuschließen und versuchen somit bewusst, das soziale Miteinander in unserer Gesellschaft für ihre Zwecke zu unterminieren.

Herausforderung des Staates | der Gesellschaft
Öffentliche Debatten um den Einfluss von Rechtsextremismus und Islamismus sind unweigerlich verbunden mit der Frage nach Sicherheit, Gefahrenabwehr und Gegenmaßnahmen. Allerdings blendet die reine Fixierung auf politische Gewalt die Vielfältigkeit und Alltäglichkeit rechtsextremer und islamistischer Menschenfeindlichkeit aus, die sich vom Vorurteil über die Abwertung anderer Gruppen bis zu Hassverbrechen und Terrorismus steigern kann und – meine Meinung – dann Erfolg haben wird, wenn es auf einem breiten gesellschaftlichen Fundament aufbaut!

Der Staat bzw. die Gesellschaft bleiben indirekt oder implizit Adressat des Handelns beider Spektren. Sowohl rechtsextreme als auch islamistische Gruppen versuchen, durch ihr öffentlichkeitswirksames Auftreten staatliche und | oder gesellschaftliche Reaktionen zu provozieren und so eine Legitimität für ihr Handeln zu erlangen.

Ein Unglück kommt selten allein.
So sagt es der Volksmund. Und tatsächlich scheint es mit Blick auf menschenverachtende Einstellungen und Handlungen so, dass sich reaktionäre Weltanschauungen verstärken, je mehr sie sich durch eine vermeintliche Gegenbewegung bestätigt fühlen.

Dieses Phänomen offenbart sich seit der zunehmenden Aufmerksamkeit für islamistische Gewalttaten in Europa am Wechselspiel zwischen Rechtsextremismus und radikalem Islamismus. Die Energien des jeweiligen „Partners“ übertragen sich auf die Handlungen des anderen und diese menschenfeindliche Entwicklung hat eine neue Dynamik angenommen, die ihre demokratischen und menschenrechtsbasierten Fundamente einer harten Probe unterzieht.

Die Spirale durchbrechen
Es ist zu befürchten, dass islamistische sowie rechtsextreme Einstellungen und Handlungen weiter an Virulenz gewinnen werden.

Je mehr Fragen um nationale Sicherheit, Identität oder „Leitkultur“ sowie die damit verbundene – tatsächliche oder zumindest wahrgenommene – Ausgrenzung im Fokus des öffentlichen Diskurses stehen, desto stärker können Identitätskonflikte von islamistischen und rechtsextremen Akteuren für ihre eigenen Zwecke verschärft werden.

Wir haben es somit mit einem Phänomen zu tun, das den Zustand der Gesellschaft massiv beeinflusst, da bewusst Misstrauen gegen Minderheiten geschaffen wird, was Wasser auf die Mühlen der Extremisten ist und gewaltig an den Grundfesten einer offenen Gesellschaft rüttelt.

Es muss somit darum gehen, eine Sensibilisierung für das strategische Vorgehen beider Seiten zu entwickeln, um reflektiert intervenieren zu können.

Verstehen wir also Islamismus und Rechtsextremismus als zwei Seiten von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit, muss eine Interventions- und Präventionspraxis beide Phänomene relational in Bezug nehmen und den Kreislauf einer Verstetigung geschlossener Weltbilder durchbrechen, denn trotz der unterschiedlichen Zielsetzungen treffen sich Islamisten und Rechtsextreme letztlich am gleichen Punkt: Der Unterminierung einer offenen, vielfältigen Gesellschaft!

Zumeist haben wir es mit Scheingefechten zu tun
 „Wir befinden uns im Krieg. Ein Krieg, der gegen uns geführt wird.“ Diese Aussagen finden wir bei Extremisten beider Seiten. In der rechtsextremen und islamistischen Propaganda ist es stets 5 vor 12: Die ständige Aufrechterhaltung eines Bedrohungsszenarios wird als Gefahr konstruiert, um mehr Gehör in der Öffentlichkeit zu finden.

Während Islamisten demokratische Strukturen und Denkweisen als eine „falsche Religion“ ablehnen, die unvereinbar mit dem Glaubensbekenntnis zu Allah ist, diskreditieren Rechtsextreme demokratisches Denken als Symptom des Niedergangs von Volk und Nation.

Dieser menschenfeindliche Ansatz wird letztlich zulasten der demokratischen Gesellschaft ausgetragen!

Präventionsansätze

Das heißt, Präventionsansätze müssen alle Jugendliche und jungen Erwachsenen – und nicht nur entweder politisch rechts, links | oder religiös – erreichen!

Ursachen von Radikalisierungen sind vielfältig, daher müssen Präventionsansätze auf verschiedenen Ebenen ansetzen und unterschiedliche Handlungsfelder zusammenbringen!

Nachhaltige Prävention und Intervention müssen diese Ebenen abbilden und Präventionsprojekte müssen Vernetzung mitdenken!

Präventionsarbeit ist politisch – und muss gesellschaftliche Zusammenhänge sichtbar machen!

Die Gesellschaft ist die Zielgruppe von Präventionsarbeit, um nicht von „Rot-Weiß-Rot“ ins „Schwarz-Weiß“ zu kippen!

Günther Ebenschweiger

(siehe auch „Wissen schafft Demokratie“ 03-2018)