7. März 2020
Medien: Eine mächtige Instanz
Internet, soziale Medien und Smartphone verändern und beeinflussen uns immer mehr: mit Abhängigkeit, Fear of missing out (FOMO), HateSpeech, FakeNews, (Cyber-)Mobbing, Sexting, Gesundheit, Cybercrime, Extremismus sowie Verlust von Empathie, Kreativität, Kommunikation, Beziehung und realem Wissen über Natur, Tiere, Wald uvm.
2012, acht Jahre, nachdem Facebook gestartet wurde und als europaweit die ersten massiven Auswirkungen auf die Erziehung, Pädagogik und Gesellschaft sichtbar wurden und ich meine erste Ausbildung zum „Trainer für medienpädagogische Elternarbeit“ in Karlsruhe absolvierte, ahnte ich noch nicht, mit welcher mächtigen Instanz ich es zu tun habe.
Es liegt mir fern „Medien“– Smartphone, Tablet, Computer, Internet usw. in Verbindung mit Sozialen Plattformen – zu verdammen, denn diese digitalen Medien unterstützen uns mittlerweile 24 Stunden – also rund um die Uhr – im Alltag.
Was allerdings in Österreich fehlt sind die Kompetenzen, die wir – Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene auf Grund der rasanten technischen Entwicklung bisher nicht ausreichend erlernt haben, verbunden mit der Verweigerung von EntscheidungsträgerInnen nach einer ganzheitlichen Betrachtung dieser mächtigen Instanz „Medien“!
Prävention
Ein erster wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Situation, wäre mehr professionelle universelle, selektive bzw. indizierte Prävention, um Kompetenzen zu verbessern, den durch die „Instanz Medien“ aufgezwungenen Digitalisierungs-Prozess positiv zu verändern, Wissen zu generieren und Motivation zu erzeugen, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu unterstützen, Opfer vom Schweigen zu entlasten und ihnen ohne Scham, Vorwurf und Schuld den Weg in die Öffentlichkeit zu erleichtern und zu ermöglichen.
(Un-)Sichere Bindungen
Hier wäre es beispielsweise wichtig bei den Eltern, bei der Erziehung anzusetzen, damit verstanden wird, dass nicht die Zeit des „Medienkonsums“ entscheidend ist, sondern ganz besonders die „Interaktion“ zwischen Eltern und Kind. „Haben Sie heute schon mit Ihrem Kind gesprochen und | oder gespielt“ ist hier die richtige Frage.
Gerade bei den „Kleinen“ ist es wichtig, dass Eltern wissen, dass „Medien“ die Eltern-Kind-Interaktion unterbrechen; z.B. wenn Mamas | Papas trotz Augenkontakt mit den Kindern in der Hand telefonieren oder – was auch oft zu sehen ist – das Kind im Kinderwagen liegt und gleichzeitig telefoniert wird. Das führt insofern zu Verhaltensauffälligkeiten der Kinder, als diese zu schmollen, zu jammern beginnen und hyperaktiv werden. Das wiederum führt zu Stressgefühlen der Eltern (Gereiztheit, noch mehr Medienkonsum) und zu einem Teufelskreis. Die Vorbildrolle der Eltern wird durch Störenfried, z.B. Smartphone, erschüttert und unsichere Bindungen entstehen.
Autoritativer Erziehungsstil
Zweitens muss verstanden werden, dass der durchaus „zeitaufwändige“ partizipative und autoritative Erziehungsstil mit „hart aber herzlich“, ein vielversprechender Weg wäre. Eher ist es aber so, dass Eltern dazu neigen, ihren Kindern sämtliche Probleme aus dem Weg zu räumen – und, so sagen die Studien – insbesondere durch die Medienpräsenz mit etwa elf Jahren w.o. geben. Eine Studie aus Deutschland zeigt auch, dass heute über 30 Prozent der Kinder zwischen sieben und 12 Jahren keine Achtsamkeit mehr erfahren.
Herausforderungen
Eltern brauchen die richtige Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle des Medienumgangs und brauchen Regeln, die sinnvoll und durchsetzbar sind – gerade bei mehreren Kindern.
Medien werden oft als Erziehungsmittel eingesetzt. Insbesondere, wenn Erziehungsbereiche vermischt werden, führt beispielsweise ein Nutzungsverbot oder der Entzug von „Medien“ (Smartphones) zu einem und zu einer Verschärfung des Konflikts. Auch hier ist es wichtig zu wissen, dass Eltern dieses „Erziehungsmittel“ oft aus Überforderung nutzen, weil sie sich nicht anders zu helfen wissen!
In vielen Studien ist belegt, dass die Eltern dann von der kindorientierten und bestenfalls autoritativen Erziehung – konsequent und gleichsam wertschätzend und einfühlsam – rasch auf Verbote „umschalten“. In diesem Kreislauf der Ohnmacht folgen die Berufe, die mit Kindern zu tun haben und letztlich die gesamte Gesellschaft.
Folgen
Bei erzieherischen, pädagogischen und medizinischen Berufen macht sich vielfach Ratlosigkeit bereit, weil die immer mehr zunehmenden „Auffälligkeiten“ in Form von kognitiven und emotionalen Störungen wie Leistungsabfall, Konzentrationsstörungen, Online-Abhängigkeit | -Sucht bzw. „Fear of missing out“, erhöhtes Aufmerksamkeitsverhalten als eine Art „histrionischer Persönlichkeitsstörung“, Gewalt – ganz besonders durch (Cyber-)Mobbing – und vielfach das Fehlen von Empathie, eine dramatische Überforderung für alle Beteiligten darstellt.
Diese Entwicklungen „schwappen“ somit von der Familie über das soziale Umfeld, den Sozialraum über den Kindergarten und Schule letztlich mit voller Wucht auf die Gesellschaft über und richten bereits jetzt einen immensen Schaden an uns Menschen an, die wir – bei der Rasanz der technischen Entwicklung – im globalen Kontext vergessen und übersehen werden.
Mein Wunsch, meine Bitte!
Wenn wir bei der Wurzel ansetzen wollen, müssen wir der Macht „Medien“ mit der Stärke „Mensch“ begegnen und – von den Eltern über die unterstützenden Professionen – statt überzeugen, motivieren.
Motivieren kann jeder, bedeutet jedoch Vertrauen aufzubauen, sich Zeit für’s Zuhören zu nehmen und kompetent zu reagieren.
Hilfreich dabei sind die drei Fragen: „Wie geht es Dir | Ihnen?“, „Was ist passiert?“, Wie lösen wir das Problem gemeinsam?“.
Das bedeutet empathisch, bewertungsfrei, partizipativ, menschlich, fürsorglich und lösungsorientiert zu handeln!
Nur wenn wir wieder neu lernen,
dass Erziehung nicht aus Büchern erlernbar ist,
dass das Eingestehen von Überforderung und Hilflosigkeit kein Makel ist,
dass der gemeinsame und persönliche Austausch über Kompetenzen und eine Vertrauensbasis wertvolle Ressourcen sind,
dass Erziehung, Pädagogik und andere Professionen heute mehr Herausforderung sind und nur mit interdisziplinären Kooperationen zu meistern ist und
wir mit autoritativen Elementen wie Lob, Wertschätzung, Liebe, Zuhören, sich Zeit nehmen und Partizipation mehr Empathie „produzieren“,
nur dann wird es uns gemeinsam gelingen als Menschen Stärke zu zeigen und die Zukunft zu meistern.
Günther Ebenschweiger
Präventionsexperte
www.mobbing-zentrum.at
www.praeventionskongress.at
www.praeventionspreis.at