April 26, 2020 11:57 am

Sucht hat immer eine Geschichte

Warum die Polizei eine Sisyphusarbeit leistet!

Corona-Krise lässt den Internet-Drogenhandel blühen
In der heutigen Kronen Zeitung „Steiermark“ steht unter dem Titel „Corona-Krise lässt den Internet-Drogenhandel blühen“ der Untertitel (Auszug: „Heroin erlebt ein tragisches Revival – Schon zwei Tote in Graz – Lieferung per Post – Die Ermittler sprechen von einem Plus von 1000 Prozent“).

Die Polizei arbeitet seit Jahrzehnten professionell, beständig, ziel- und täterorientiert und leistet damit eine hervorragende Arbeit. Solange aber nicht alle Beteiligten, beispielsweise auch aus dem Sozial-, Gesundheits-, Kinder-, Jugend- und Bildungsbereich auf Augenhöhe und einer gemeinsamen Anstrengung auf hohem Niveau und einem gesteuerten Netzwerk- und Kooperationsmanagement agieren, bleibt es – „leider nur“ – eine Sisyphusarbeit.

Sisyphos
Sisyphos’ Strafe in der Unterwelt bestand darin, einen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen. Ihm entglitt der Stein jedoch stets kurz vor Erreichen des Gipfels und er musste immer wieder von vorne anfangen. Heute nennt man deshalb eine Aufgabe, die trotz großer Mühen nie abgeschlossen wird, Sisyphusarbeit.

„Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen Schmerzen: wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte. Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel. Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter. Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus.“ – HomerOdyssee 11. Gesang, 593–600. Übersetzung Wolfgang Schadewaldt

Einbruch – ein Beispiel
Nehmen wir an, die Polizei erwischt Einbrecher, diese werden festgenommen und verurteilt. In dieser Zeit können diese Kriminellen keine weiteren Einbrüche begehen, die Haus- und Wohnungsmieter und -eigentümer sind vor diesen Einbrechern geschützt.

Drogen – ein Beispiel
Nehmen wir an, die Polizei ertappt Dealer, diese werden festgenommen und verurteilt. In dieser Zeit können zwar diese Dealer keine Drogen verkaufen, aber – zum Unterschied bei den Einbrechern – gibt es weiterhin tausende „KundInnen“, als drogenabhängige und kranke Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die jetzt „bedient“ werden müssen.

Entweder übernimmt ein neuer Dealer dieses Drogengeschäft, ein bereits etablierter Dealer weitet seinen „Handel“ aus oder diese abhängigen Menschen bedienen sich aus dem Internet; und – alles bleibt beim Alten!

Der Polizei allein die Arbeit gegen Drogen zu überlassen, ohne Begleitmaßnahmen durch verschiedene politische Ressorts bleibt daher eine Sisyphusarbeit; mit dem traurigen Ergebnis, dass wir als Gesellschaft tausende Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Stich lassen; und zwar trotz besseren Wissens!

Eine angemessene Lösung
Sucht hat immer eine Geschichte und daher wäre es – um aus der Sisyphusarbeit der Polizei eine gemeinsame ansatz- und handlungsorientierte Lösung zu erreichen –, zwingend erforderlich, die Geschichten der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zu kennen und zu analysieren, wo beginnen diese Geschichten und warum?

Bei jedem Projektmanagement ist eine Ist-Zustandsanalyse erforderlich, um die Ziele und Nicht-Ziele zu definieren und davon die Maßnahmen abzuleiten. Das wird hier – aus welchen Gründen auch immer – vernachlässigt und ohne den Ist-Zustand – die Sucht-Geschichte – gleich mit der Intervention, statt mit der Prävention gestartet.

Das Ergebnis:
Die Polizei alleine ist trotz ihrer Professionalität machtlos – und da kann sie noch so viele zeitliche, persönliche, strafrechtliche Ressourcen einbringen.

Solange es keinen „gemeinsamen professionellen (Präventions-)Ansatz“ zur den vielen „Suchtgeschichten“ der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen gibt und solange wir nur so tun, als ob wir was tun, bleiben die Betroffenen aber in der Sucht-Realität mit ihren Geschichten und die Polizei mit ihrer Sisyphusarbeit allein!

Günther Ebenschweiger