14. Mai 2020

Eine fragwürdige Meinungsfreiheit

Ein etwas sperriger Titel und trotzdem die Realität. Wer immer Kritik äußert – und ich meine damit ausschließlich konstruktive, also lösungsorientierte, real- und zukunftsbezogene Kritik – bekommt dafür keinen Orden, sondern muss im leichtesten Fall mit „Rechtfertigungen“ und im schwersten Fall mit vielerlei massiven Konsequenzen als Reaktion rechnen.

Ich erlebe in meiner täglichen Arbeit viele Menschen die genauso konstruktive, innovative, utopische und kritische Meinungen – egal welchen Alters – vertreten; aber nur im kleinen Kreis, unter vier Augen und mit der „Auflage“, das ja nicht in der Öffentlichkeit zu verwenden. 

Meinungsfreiheit

Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht und insbesondere bei meinen Workshops und Seminaren weise ich auf dieses wichtige Menschenrecht hin. Ich weise deshalb darauf hin, weil bei uns (darf) dürfte man, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, seine Meinung frei vertreten, während in anderen Ländern – und da braucht man nicht lange zu suchen – für die freie Meinung das Gefängnis oder sogar der Tod droht.

Warum ist das so? 

Warum trauen sich bereits junge Menschen innerhalb der Peergroup nicht mehr ihre Meinung vertreten, warum wird konstruktive Kritik so wenig wertgeschätzt, warum haben EntscheidungsträgerInnen so wenig Respekt vor jenen Menschen, die auf Grund ihrer theoretischen und praktischen Fundierung pro-aktiv die Bereitschaft zeigen, mitzudenken und zu -handeln.

Wenn mir konstruktive – manchmal natürlich auch destruktive – Kritik gesagt wird, dann unter vier Augen, ausschließlich im Vertrauen, leise, ängstlich, manchmal auch emotional, aber kaum in einer Form, die auch für die „Öffentlichkeit“ bestimmt ist. 

Zu groß ist die Angst dieser mitdenkenden, mithandelnden, auf ihre Zielgruppe schauenden, lebendigen, aktiven, etwas weiterbringen wollenden, sich nicht unterkriegen lassenden, pro-aktiv lebenden, … Menschen, Sanktionen zu erwarten – durch das soziale Umfeld, durch KollegInnen, indirekte und direkte Vorgesetzte, durch Medien, durch mittelbar Betroffene …

… und ganz besonders für ihre Kritik- und Reflexionsbereitschaft Nachteile, Einschränkungen, persönliche und organisatorische Konsequenzen zu erfahren und | oder öffentlich gedemütigt zu werden.

Ich verstehe nicht, warum in Österreich – bei so viel sozialem, präventivem, bildungsbezogenem und gesundheitsförderlichem Engagement und konstruktiver Kritik-Bereitschaft, statt über die zukunftsbezogenen Vorschläge nachzudenken, die „Vor-Denker“ im einfachsten Fall nicht beachtet oder im schlimmsten Fall kritiktot gemacht werden!

Ganz ehrlich; eine demokratische Haltung stelle ich mir anders vor!

Günther Ebenschweiger