20. Dezember 2020

Es ist entsetzlich kalt geworden!

Manchmal ist es schwierig die Contenance zu bewahren, um nicht den Stinkefinger zu zeigen.

In den Online-Medien war gestern zu lesen, dass Fußballklubs von der Bundesregierung bis zu vier Millionen Euro als Corona-Ersatz bekommen haben, während unsere Kinder, die nach Aussagen von ExpertInnen „keine politische Größe darstellen“, vergessen werden; es ist tatsächlich entsetzlich kalt geworden!

Ich habe dazu schon im Juli des heurigen Jahres auf meinem Blog meine Meinung „Kindern Hoffnung geben“ geschrieben und stellvertretend das Gedicht von Hans Christian Andersen „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ genommen; denn seine Geschichte beginnt mit: „Es war entsetzlich kalt …“ und diese Worte angepasst auf: „Es ist entsetzlich kalt geworden!“

Zum Nachlesen:
https://www.aktivpraeventiv.at/2020/07/kindern-hoffnung-geben/

Es ist entsetzlich kalt geworden!

Beispiel 1: Prävention gegen Gewalt

Ich leite seit 1999 das Österreichische Zentrum für Kriminalprävention:
wir sind ein gemeinnütziger Verein, 
wir stärken und schützen Kinder gegen Gewalt,
wir arbeiten als ExpertInnen seit 21 Jahren alle ehrenamtlich und
wir haben seit dem Bestehen rund 350.000 Kinder gegen Gewalt gestärkt und geschützt.

Noch nie seit dem 21jährigen Bestehen des Vereins hat eine der zehn Bundesregierungen uns und somit die Kinder finanziell unterstützt?

Ein riesiges Dankeschön gebührt daher jenen verantwortungsvollen, wahrnehmenden und proaktiv denkenden und handelnden Menschen und Organisationen, denn gäbe es nicht die Elternvereine, Banken, Gemeinden, private Sponsoren, einige wenige Landesregierungen, Soroptimistinnen, Kiwanis, Rotarier und ganz besonders die LIONS, die uns seit über zehn Jahren österreichweit ideell und finanziell unterstützen, würden Kinder nicht gegen Gewalt gestärkt und geschützt!

Beispiel 2: Überforderte Familien

Täglich habe ich es in meiner präventiven Arbeit mit überforderten Familien zu tun. Auf die Frage „Wie geht es Ihnen“ und der Antwortmöglichkeit „1“ bedeutet sehr gut, „5“ bedeutet sehr schlecht, bekomme ich sehr oft die Noten „7“ und „8“. 

Ich habe mit Medien-ExpertInnen bereits im Jahr 2013 das generationenübergreifende und ganzheitliche Projekt „Log.in“ an die damalige Bundesregierung geschickt, um die Eltern zu unterstützen; leider keine Antwort! Die deutsche Bundesregierung hat zeitgleich über vierzig Millionen Euro zur Stärkung der Eltern, Familien und Kinder zur Verfügung gestellt; bei uns waren es null Euro!

Beispiel 3: Kindergärten

Die aktuelle Diskussion um die „KindergärtnerInnen“ kann ich gut nachvollziehen. ElementarpädagogInnen wären die ersten und die wichtigsten MultiplikatorInnen und MentorInnen, um die Defizite, die sich aus der Überforderung der Eltern ergeben – fehlende menschliche Grundbedürfnisse, geringe Empathiefähigkeit, geringe Bindungserfahrungen, so gut wie keine Medienkompetenzen, Vereinsamung, fehlende Achtsamkeit, kognitive und emotionale Störungen, Aggression und Gewalt uam. – zu erkennen, abzufangen und auszugleichen.

Beispiel 4: Schule

Die Negativspirale aus diesen komplexen Herausforderungen setzt sich mit der Erschöpfung der PädagogInnen fort und es gibt zwar Jahresbudgets für Haus, Fenster, Tische, Stühle, Böden, aber kein Schul-Budget für Themen wie Mobbing, Radikalisierung, Rassismus, Rechtsextremismus, Gewaltbezüge …

So habe ich – um ein Beispiel aus dem Advent des Vorjahres zu nennen – nach einem Anruf einer verzweifelten Mutter wegen Mobbings rasch, unbürokratisch und gratis – ich habe es als Weihnachtsgeschenk angesehen – zwei Kinder vor weiterem Mobbing geschützt. 

Klar war von Beginn an, dass es dafür keine Bezahlung geben wird, denn dazu hätte die Direktion ein Jahr vorher ansuchen, oder die beiden Kinder hätten ein Jahr auf ihre Rettung warten müssen!

Es ist entsetzlich kalt geworden!

Es gibt jährlich hunderte Millionen Förderungen für Sport, für Kultur, uuu. aber keine Förderungen für Prävention und keine für unsere Kinder und für Themen, die eine gewaltfreie Zukunft unserer Gesellschaft sicherstellen.

Eine riesen Enttäuschung, die den Spruch der ExpertInnen „Kinder haben keine politische Größe“ bestätigt und die es manchmal auch mir schwer macht, ohne die Contenance zu verlieren, die „richtigen“ Worte zu finden!

LG
Günther Ebenschweiger