29. August 2024

Die brutale Mobbing-Manifestationsphase

Ein Interview für eine Masterarbeit und das beginnenden Schuljahr 2024-25 haben mich bewogen, diese Zeilen zu schreiben, weil ich gefragt wurde, ob Mobbing damals und heute vergleichbar ist? Diese Frage habe ich klar und deutlich mit NEIN beantwortet und folgendes Erlebnis erzählt: 

Die Leitung eines Gymnasiums bat mich dringend um ein Training in einer 6. Klasse. Vor dem 1. Trainingstag erzählte mir der Klassenvorstand allgemein die Situation und endete mit dem Satz: „Hr. Ebenschweiger, wenn ich die Klasse betrete, rieselt es mir kalt den Rücken hinunter.“

Kaum hatte ich mit meinem Training begonnen, wurde ich von Schüler:innen gefragt, warum ich eigentlich da sei. Ich erklärte das Training und bekam die Antwort: „Hr. Ebenschweiger, wir sind eine tolle Klasse, sie können schon wieder gehen!“

Im weiteren Verlauf meines Trainings wurde mir bewusst, hier handelt es sich um die 3. Mobbing-Phase, eine Manifestationsphase, bei der die ganze Klasse mobbt und das Opfer über Jahre brutal fertigmacht. 

Das Opfer – im konkreten Fall war es ein Mädchen  – war verzweifelt, hilflos und suizidär massiv gefährdet. Es gelang mir, die Eltern zu überzeugen, ihre Tochter sofort aus der Klasse zu nehmen, um schlimmeres zu verhindern; die Mobber:innen wurden gekündigt.

Meine Bitte an Eltern: Hören Sie den Kindern aktiv zu und stellen bewertungsfreie Fragen wie: „Wie geht es dir?“, „Was ist passiert?“, „Wie lange dauert das schon?“, „Wer ist beteiligt“ und „Wie lösen wir das gemeinsam“ und dann handeln Sie nicht emotional, suchen keinen Schuldigen, sondern schützen Sie ihr Kind.

Meine Bitte an Pädagog:innen: Kinder und Jugendliche haben vor Ihrer Rolle Angst, weil sie gelernt haben, dass alles, was sie sagen, öffentlich gemacht wird und es ihnen als Betroffene dann schlechter geht. Daher erzählen die Schüler:innen nicht von ihrer Hilflosigkeit. Das tun sie erst, wenn sie das Vertrauen haben, dass Sie zuhören und dann auch professionell helfen.

LG Günther