26. September 2024

Ich sehe, was ich weiß!

Vor dem Sommer habe ich mit Student:innen und die letzte Woche mit Jugendlichen im Alter von 15-18 Jahren gearbeitet; das Thema war Radikalisierungsprävention.

Dazu habe ich sowohl die Student:innen, als auch die Jugendlichen gefragt, ob sie diesen Begriff bzw. den Prozess kennen und sie gebeten mir auf einer Skalierung von 0 (ich habe keine Ahnung) bis 10 (ich weiß schon sehr viel davon) zu antworten. Sie haben mir unisono mit Noten von 0-2 geantwortet.

Um beim Zitat: „Ich sehe nicht, was ich sehe, ich sehe, was ich weiß!“ zu bleiben, bedeutet dieses fehlende Wissen, dass Radikalisierungsprozesse bzw. -entwicklungen von der Familie, vom sozialen Umfeld, den Pädagog:innen … nicht erkannt und keine wirksamen Präventionsaktivitäten gegen Extremismus und Terrorismus gesetzt werden.

Dieses „Nichtwissen“ über Radikalisierungsentwicklungen führt radikalisierte Jugendliche schnurstracks in die Hände von Extremist:innen; egal ob religiös oder politische motiviert und es kommt zu einer „Selbstethnisierung“, d.h. diese Jugendlichen ziehen sich in ihr Umfeld zurück und der Radikalisierungsprozess ist unsichtbar.

Als ich die letzte Woche in den Klassen mit den Jugendlichen gearbeitet habe, fühlte ich mich irgendwie hilflos, weil mir – wieder einmal – bewusst wurde, dass wir in Österreich den Prozess der Radikalisierung nicht ernst genug nehmen und erst dann Handeln, wenn es durch Anschläge Verletzte und Tote gibt.

Diese Haltung haben wir leider auch bei patriarchaler, also männlicher Gewalt in Beziehung, denn auch hier weiß die Familie, das soziale Umfeld, die Freund:innen und auch Arbeitskolleg:innen nicht, wie es zu diesem Gewaltprozess kommt und wie sie wirksam handeln können.

„Ich sehe nicht, was ich sehe, ich sehe, was ich weiß“ würde daher nach einer ganzheitlichen, wirksamen und nachhaltigen Gewalt- und Radikalisierungsprävention – und zwar ohne Zuständigkeiten, Ressort- und Parteiverantwortlichkeiten verlangen – doch da ist die Politik in Österreich noch meilenweit entfernt und ich fühle mich schlichtweg alleingelassen, bei diesem wichtigen Thema; denn immerhin geht es um Leben und Tod!

LG Günther