
14. Dezember 2024
Hier braucht die Seele ein Pflaster
Vor rund drei Wochen hat mich eine Schulsozialarbeiterin angerufen: „Lieber Günther, ich brauche dringend deine Unterstützung, weil in einer meiner Klassen ein Bub mit Handicap sitzt, der – wie sich jetzt herausgestellt hat – seit langem brutal gemobbt wird.“
Einen Tag später rief mich die Mutter dieses Buben an: „Hr. Ebenschweiger, Sie müssen dringend in die Klasse unseres Sohnes kommen und ihm helfen. Wir haben schon wahrgenommen, dass mit unserem Sohn was nicht stimmt, aber er hat auf all unser Nachfragen immer geantwortet, dass eh alles passt. In den Herbstferien habe ich dann bemerkt, dass sich unser Sohn blutig aufgekratzt hat. Zuerst war es nur an den Händen, dann auch die Beine und letztlich kratzte er sich am ganzen Körper blutig. Wir hatten den Verdacht auf eine Allergie oder Lebensmittelunverträglichkeit und gingen mit ihm zum Hausarzt. Als der Hausarzt unseren Sohn sah, sagte er: „Hier braucht die Seele ein Pflaster.“ Unser Sohn begann zu Hyperventilieren und brach zusammen. Erst danach erzählte er uns von den grausamen Beleidigungen, körperlichen Attacken, den täglichen Demütigungen und Blicken und von der Isolation durch die Mobber. Unser Sohn ist mittlerweile in psychologischer Therapie, aber das Mobbing in der Klasse muss aufhören. Bitte helfen Sie uns!“
Ich konnte dem Buben und der Klasse – wenn auch erst drei Wochen später – helfen, weil – wie ich bereits geschrieben habe – in dieser Zeit dreizehn (13) ähnliche Anfragen erhalten habe und ich durch meine knappen Zeitressourcen und das Fehlen von weiteren Trainer:innen, nicht mehr in der Lage bin, rascher ein Training anzubieten.
Das macht mich wütend auf eine Politik in Österreich, die seit vierzig Jahren keine Bereitschaft gezeigt hat, Opferschutz als „Schutz vor Gewalt“ zu verstehen, sondern dafür lieber Millionen Euro für „Schutz nach Gewalt“ ausgibt.
Diese beschämende Politik lässt massive Verletzungen der Seele zu, sie lässt langfristige psychische Schädigungen zu und sie lässt zu, dass insbesondere Kinder, Jugendliche und Frauen zu Opfern von Gewalt werden, während sie gleichzeitig medienwirksam verkündet, „Opferschutz“ zu leisten.
LG Günther