5. Oktober 2025

Der kleine Baum

Am Waldesrand stand ein kleiner, junger Baum inmitten einer Gruppe anderer Bäume. Die Sönne leuchtete nur zaghaft durch das Blättermeer auf seine Äste. Einige Meter neben ihm stand ein großer, alter Baum mit einem dicken Stamm.

Der kleine Baum schaute ihn vom Boden hinauf an und seine Augen wurden größer und größer, als er sich immer mehr verbiegen musste, um die Spitze des alten Baumes zu sehen. „Wow!“, flüsterte der kleine Baum anerkennend, „was für ein großer, mächtiger Baum!“

Der große Baum öffnete gemächlich seine Augen und antwortete mit einer tiefen, brummigen Stimme: „Es kommt aber nicht darauf an, wie groß du bist, sondern wie groß du werden wirst.“

Erschreckt sagte der kleine Baum: „Ja, klar. Du bist ja schon groß und alt!“ „Es kommt aber nicht darauf an, wie alt du bist, sondern wie weise du werden wirst.“

Der kleine Baum blinzelte kurz und sagte schüchtern: „Ich bekomme hier so wenig Sonne, vielleicht kann ich ja gar nicht so groß werden?“ „Es kommt aber nicht darauf an, was dich davon abhält, sondern wie du das findest, was dich wachsen lässt.“

Der kleine Baum kam ins Grübeln. Er grübelte so stark, dass er vergaß, seine Äste aufrecht zu halten und mit den Blättern zu schwingen. Der große, alte Baum schaute den kleinen bedächtig an und sagte väterlich mit seiner tiefen, brummigen Stimme: „Schau, es kommt doch nicht darauf an, was du denkst, sondern nur, wie du damit umgehst … und auch der kleinste Sonnenstrahl wird Wachstum erzeugen.“

Der kleine Baum hob stolz seine Äste, schwang mit seinen Blättern in den kleinen Strahlen und saugte genüsslich das Wasser aus der Erde in der friedlichen Gewissheit, so groß und weise werden zu können, wie er möchte.

LG Günther, mit dieser Geschichte von Audrey Bär