6. Oktober 2025

Die Manifestationsphase: Die grausamste Mobbingstufe

Wie grausam Mobbing sein kann, kann man erst erahnen, wenn man direkt vor Ort in der Klasse, sieht, hört und spürt, dass es sich um eine Manifestationsphase handelt, also wenn die ganze Klasse mobbt.

Das „erfährt“ man aber nur, wenn man in der Lage ist, gruppendynamische dissoziale Prozesse zu verstehen und letztlich auch weiß, welche Methoden überhaupt noch helfen könn(t)en, denn grundsätzlich heißt es: „Bei einer Mobbing-Manifestationsphase gibt es weder Prävention noch Intervention!

Ein Beispiel:
Ich werde in die 6. Klasse eines Gymnasiums geholt, der Klassenvorstand begrüßt mich und fragt mich, ob er jetzt schon etwas erzählen soll. Als ich ihn bitte, die systemische Istzustands-Analyse abzuwarten sagt er: „Hr. Ebenschweiger, wenn ich meine Klasse betrete, rieselt es mir kalt den Rücken hinunter.“

Während der 1. Pause erzählt mir ein Mädchen vertraulich, dass es in der Klasse ein Mädchen gibt, dass seit sechs Jahren grausam gemobbt wird, immer öfter fehlt und sich bereits in psychologischer Betreuung befindet.

Auf Grund dieser vertraulichen Mitteilung und dem Verhalten der ganzen Klasse vermute ich bereits jetzt, dass es sich um eine Manifestationsphase handelt. Im Laufe der beiden Trainingstage gelingt es mir dann doch, ein paar Schüler:innen empathisch und emotional zu erreichen, sie beginnen zu reden und plötzlich bricht die Gewalt und das Mobbing wie eine Eruption heraus.

Ich lasse die Eltern verständigen, erkläre ihnen die Situation und das Mädchen muss sofort die Klasse verlassen, weil die Gefahr eines Suizids zu groß ist.

Die Schulleitung nimmt ihre Verantwortung gegenüber den Schüler:innen, der Klasse, dem Lehrkörper und auch den Eltern wahr und kündigt die Mobber:innen-Gruppe. Eine noch seltene Reaktion, weil der Ruf der Schule oft noch wichtiger ist, als der Schutz der Kinder und Jugendlichen in gruppendynamischen Zwangskontexten.

LG Günther