Buddys für neue Schüler:innen
Regelmäßig komme ich in Klassen, in den es „neue“ Schüler:innen gibt. Kaum jemand kann mir sagen, warum diese Kinder oder Jugendlichen „neu“ an dieser Schule sind.
Die Gründe sind vielfältig: die Eltern sind gesiedelt, die Kinder wurden in der früheren Schule gemobbt, es gab Differenzen mit den Pädagog:innen, sie wechseln vom Gymnasium in die MS oder es gibt zuhause Gewalt, Missbrauch, Drogen … und die Eltern haben den Bezirk oder sogar das Bundesland gewechselt, um einer Aufdeckung zu entgehen.
„Neue“ Schüler:innen kommen in einen bereits konsolidierten gruppendynamischen Prozess, in dem die Rollen Alpha (Führt prosozial die Gruppe, kann aber auch die:der Mobber:in sein), Betas (sind die Konkurrent:innen von Alpha, aber bei Mobbing auch die Verstärker:innen und Assistent:innen), Gammas (sind grundsätzlich die Zuschauer:innen, bei Mobbing haben sie Angst, die nächsten betroffenen Kinder oder Jugendlichen zu werden und schweigen) und die Omegas (das sind die unbeliebten, durchaus auch Kinder mit anderen Einstellungen und Verhalten und bei Mobbing die Opfer).
Wenn also „neue“ Schüler:innen in die Klasse kommen und nicht wirklich oder ehrlich der Grund oder die Gründe bekannt sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass dieses Mädchen oder der Bub auch zu einem Omega in der Klasse wird.
Ein Beispiel:
Bei einem Mädchen beginnt Mobbing bereits im Kindergarten, weil sie körperlich stärker ist (ein klassischer unveränderbarer Aufhänger) und aus diesem Grund von einem Buben als „Walross“ bezeichnet wird. Dieser Beleidigung und andere demütigenden Aussagen und Handlungen führen dazu, dass sich das Mädchen bereits jetzt sogenannte „Bewältigungsstrategien“ – das sind Anpassungs- und Vermeidungsstrategien – aneignet. Dieses Mädchen geht den Mobber:innen – den Alphas und Betas – so gut sie kann aus dem Weg, ist aber schon im Kindergarten – leider – ein massives Mobbingopfer.
Das Mädchen kommt in die 1. Klasse Volksschule und übernimmt ihre Bewältigungsstrategien und wird durch ihr – wie das andere Kinder nennen – „seltsames“ und „komisches“ Verhalten, wieder zum Mobbingopfer.
Die Eltern wissen sich nicht anders zu helfen und geben ihre Tochter in der 2. Volksschulklasse in eine andere Volksschule; und auch hier wiederholt sich die Viktimisierung (die Opferwerdung).
Also entscheiden die Eltern erneut, sie wieder in eine andere Volksschule zu geben; mit dem gleichen Resultat. Das Mädchen und die Eltern haben hier Glück, auf eine Leiterin zu treffen, die die Situation erkennt und mich für ein Training anfordert.
Dadurch kann das Mobbing in dieser 3. Klasse Volksschule beendet werden und über meine Anregung, die Tochter in eine psychotherapeutische oder psychologische Beratung kommen.
Mein Tipp:
Diesem Mädchen wäre bereits in der 1. Klasse Volksschule und natürlich auch in den anderen Klassen geholfen gewesen, wenn sie als „neue“ Schülerin zwei Buddys, also zwei Kinder, die sozial gut in der Klasse integriert sind, an die Seite gestellt bekommen hätte.
Mein Vorschlag an die Pädagog:innen ist, dass dieses „Buddy-Team“ neuen Kindern rund zwei Monate zur Seite steht, um sie in den gruppendynamischen Prozess zu integrieren und damit eine gute Möglichkeit zu einem Beziehungsaufbau zu schaffen.
Wenn die Klassenlehrerin oder Klassenvorstand diese Gelegenheit auch für Gespräche nutzt, ist die Chance groß, Vertrauen aufzubauen und so diesem „neuen“ Kind zusätzlich Sicherheit in der Klasse zu vermitteln.
LG Günther Ebenschweiger