Gründe zum Schreiben eines Mobbing- oder Gewalt-Tagebuchs

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Mobbing in der Klasse ist ein gruppendynamisches und phasenorientiertes Gewaltphänomen, das vielfach weder von den Eltern (sie geben Rat-Schläge wie „ignoriere das einfach!“) noch von den Pädagog:innen (bedingt durch die Rolle haben Kinder und Jugendliche Angst, dass das Mitteilen dann öffentlich gemacht wird) erkannt wird, oder erkannt werden kann.

Betroffene Kinder und Jugendliche schweigen und lernen sich aus diesen Gründen Bewältigungsstrategien, ganz besonders Anpassungs- und Vermeidungsstrategien, an, die sie wiederum zu „seltsamen“, „komischen“ oder auch „arroganten“ (das sind alles Aussagen von Schüler:innen) werden lassen.

In Kombination mit dem Schweigen, den Bewältigungsstrategien und dem damit verbundenen Verhalten, werden die von Mobbing betroffenen Kinder und Jugendlichen auch in den weiteren Klassen und Schulen zu Mobbing-Opfern.

Dazu kommt, dass, 

❎ wenn Kinder sich an die Eltern wenden, diese oftmals sehr emotional reagieren, das Thema öffentlich machen und damit die Souveränität ihres Kindes im Zwangskontext Klasse zerstören und

❎ wenn sie sich an Pädagog:innen wenden, diese den Kindern und Schüler:innen nicht glauben, weil sie bisher nichts davon bemerkt haben und Mobber:innen hoch manipulative Menschen sind, die die Situation eher zu einer Täter-Opfer-Umkehr nutzen und sich selbst als Opfer darstellen.

Daher rate ich den Eltern ihrem Kind und den Pädagog:innen den Schüler:innen ein „Tagebuch“ gegen Mobbing oder Gewalt zu empfehlen; diese Empfehlung gebe ich allerdings auch von Gewalt betroffenen Erwachsenen.

Der erste Schritt, sich eigenen Problemen mit Mobbing zu stellen, kann ein Tagebuch sein; es kann ein Tagebuch, ein Heft oder auch online geschrieben sein. Wichtig ist nur, es müssen die eigenen Worte zu den eigenen Erlebnissen sein.

Nicht hilfreich ist, wenn es – wie ich es auch schon erlebt habe – die Eltern mit ihren Worten schreiben!

Dieses Tagebuch hilft, positive wie negative Vorkommnisse zu sammeln und das Schreiben hat vor allem die Funktion, dem Gefühl der Hilflosigkeit aktiv entgegenzuwirken; die betroffene Seele zu entlasten. 

Im Mobbingtagebuch sollten die täglichen erfreulichen, fröhlichen, mutigen Vorfälle genauso gesammelt werden, wie die beleidigenden, respektlosen und herabwürdigenden Vorfälle sowie die Frage beantwortet werden: „Wie fühle ich mich heute?“, „Was ist passiert?“, Wer hat was gemacht?“ und „Wie habe ich darauf körperlich, seelisch, emotional reagiert?“

Kinder und Jugendliche sollten sich folgende Fragen stellen?

  • Wann und wo fand das Mobbing statt? (Datum, Uhrzeit, Ort) 
  • Wer waren die Mobber:innen? 
  • Gab es Schüler:innen, die das gesehen haben? 
  • Was haben die Mobber:innen mir angetan? 
  • Habe ich versucht Hilfe zu bekommen?
  • Wie geht es mir körperlich und seelisch durch diese Angriffe?

Ein Tagebuch hat nicht nur den Hintergrund die Kinder und Jugendlichen zu entlasten, sondern zeigt als „Beweis“ sehr klar den Mobbing-Prozess und die Mobbing-Struktur auf und erleichtert jetzt Eltern und Pädagog:innen gemeinsam Gegenstrategien zu entwickeln und dem betroffenen Kind oder Jugendlichen zu helfen.

Zum Schluss dazu noch eine große Bitte von mir: 

Mobbing-Opfer haben vor der Mobber:innen-Gruppe, das sind rund 25 Prozent einer Klasse, Angst. Sie haben insbesondere davor Angst, dass Eltern und / oder Pädagog:innen das Wissen rasch in die Klasse zurückspiegeln und sich die Mobbing-Attacken verschlimmern; und das passiert tatsächlich so.

Daher braucht es eine gemeinsame Strategie, wie das Mobbing beendet werden kann, ohne das Mobbing-Opfer zu stigmatisieren und als Petzer:in dastehen zu lassen.

Wenn nämlich das passiert, dann haben die Mobbing-Opfer folgendes gelernt: „Wenn ich es erzähle, werde ich noch mehr gemobbt, d.h. die Kinder und Jugendlichen werden sekundärviktimisiert, also nochmals Opfer und sie werden sich in Zukunft hüten, Ihnen davon zu erzählen.

Wenn das passiert, ziehen sich die Mobbing-Opfer – das gilt auch für alle Gewalt-Opfer – zurück, geben sich selbst die Schuld oder flüchten sich in ein Stockholm-Syndrom und reden nie mehr darüber.

Die Folge: Sie haben das Gefühl, ihre öffentliche Intervention hat gefruchtet, während unter ihren Augen das Mobbing-Opfer noch mehr leidet, noch mehr aushalten muss und leider schon in der Volksschule beginnt sich selbst zu verletzen (ritzen) und Suizidgedanken entwickelt!“

LG Günther Ebenschweiger