Gut gemachtes Mobbing erkennst du nicht!
„Gut gemachtes Mobbing erkennst du nicht“ lautet ein Spruch von Mobbing-Expert:innen und sie haben nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis absolut recht.
Mobbing – und dazu gehört auch Cybermobbing, weil es das praktisch nur mehr im Doppelpack gibt – entsteht im Zwangskontext Kindergartengruppe und breitet sich danach im Zwangskontext Schulklasse weiter aus.
In diesem Zwangskontext, das ist eine Gruppe, die von anderen definiert wurde und aus der ich mich nicht verändern kann (das gilt insbesondere für Schulklassen, für Sportvereine, für den Arbeitsplatz …) entstehen gruppendynamische Prozesse mit einer klaren Rollenverteilung und sehr oft das dissoziale und phasenorientierte Gewaltphänomen (Cyber-)Mobbing.
Gruppen brauchen Rollen und das sind „Alpha“ als Mobber:in, „Beta’s“ als die Verstärker:innen und Assistent:innen, „Gamma’s“ als Zuschauer:innen, Helfer:innen und auch Unbeteiligte und „Omega’s“ als Betroffene und Opfer in einer Gruppe.
Diese Rollen bilden sich sehr oft schon im Kindergarten heraus und werden in die Schule mitgenommen.
In der ersten Phase von Mobbing – der Testphase – lachen die Kinder noch zu den kleinen Gemeinheiten und fördern damit die Wiederholung, denn mit jedem Lachen fühle ich mich als Mobber:in besser; das Selbstwertgefühl steigt und die Defizite meiner menschlichen und psychischen Grundbedürfnisse werden geringer.
Daraus entwickelt sich die Konsolidierungsphase, bei der jetzt nicht nur mehr ein Mädchen oder Bub als Mobber:innen aufscheint, sondern mit den Beta’s schon eine Mobber:innen-Gruppe, die etwa 25 Prozent der Klasse ausmachen.
Die Gamma’s und natürlich die Omega’s – nach meiner langjährigen Erfahrung gibt es zumeist zwei Mobbing-Opfer in der Klasse – schweigen jetzt, weil sie Angst haben, sonst die nächsten Opfer dieser Mobber:innen-Gruppe zu werden.
Diese Schweigemauer ist so dicht, dass es kaum Kinder oder Jugendliche gibt, die den Mut haben, den Klassenlehrer:innen oder den Klassenvorständ:innen über dieses Gewaltphänomen zu berichten.
Das gleiche gilt ganz besonders für die Omega-Kinder und -Jugendlichen, weil sie wissen, wenn sie jemanden davon erzählen, werden sie sofort als Petzer:innen abgestempelt, sie verlieren dadurch zur Gänze ihre Souveränität in der Klasse und sie werden mit Sicherheit noch brutaler gemobbt.
Das heißt für Pädagog:innen konkret auch: „Gut gemachtes Mobbing erkennst du nicht!“ und daher sind Pädagog:innen nicht „schuld“, wenn Mobbing auftritt. Sie werden genauso wie die Eltern, Auswirkungen durch das Gewaltphänomen Mobbing bemerken, es aber nicht zuordnen können, weil – wie bereits erwähnt – sich niemand traut, darüber zu sprechen.
Daher an dieser Stelle meine Bitte: Wenn Sie das Gefühl haben, in ihrer Klasse stimmt was nicht, Sie können es aber nicht „greifen“, dann haben Sie den Mut ein „Achtung-Mobbing!-Training zu beantragen.
Die betroffenen Kinder und Jugendlichen, die Klasse und die Eltern werden Ihnen das danken und Sie können mit einer neuen und prosozialen Gruppendynamik wieder störungsfreier unterrichten.
LG Günther Ebenschweiger