5. August 2018

Wenn Tränen deinen Weg begleiten

Eine Schule mit SchülerInnen zwischen 10 und 14 Jahren bat mich in einer 2. Klasse um eine zweitägige Mobbing-Intervention.

Der Grund waren Streitigkeiten zwischen SchülerInnen und damit verbunden Verhaltensauffälligkeiten, Lern- und Unterrichtsstörungen bis hin zu „mir ist so langweilig“!

Eine Anmerkung voraus: In allen Bundesländern hatte ich im vergangenen Schuljahr nur eine Klasse, in der kein Mobbing-Opfer saß; in allen anderen Klassen konnte ich ein bis zwei Opfer identifizieren und ihnen auch helfen!

Der 1. Tag:

Der 1. Tag der Mobbing-Intervention verlief wie bei den vielen anderen Schulen des vergangenen Schuljahrs wie gewohnt. Am Abschluss des 1. Tages war das Mobbing-Opfer – ein Bub – identifiziert und die weiteren Schritte mit den Eltern und der Intervention am kommenden Tag mit der Klassenlehrerin und dem Sozialarbeiter in einer Reflexionsstunde besprochen.

Der 2. Tag:

Nach einer Wiederholung startete die Mobbing-Intervention, also die „Auflösung“ der Frage an die Kinder | Jugendlichen am Vortag „Wer wird am häufigsten gehänselt, fertig gemacht, schikaniert; an wem werden die meisten Menschenrechte verletzt?“

Zuerst folgt generell absolute Stille bzw. absolutes Schweigen, dann folgen viele Tränen; seitens des Opfers und auch der Klasse, weil „Gewalt – und Mobbing ist massive und durch nichts zu rechtfertigende, zu akzeptierende und zu tolerierende Gewalt – macht mit jedem von uns, im besonderen Fall mit den SchülerInnen und den PädagogInnen, was!“

Es sind aus meiner mehrjährigen Erfahrung „Tränen der Erleichterung“, denn das Opfer und die Klasse wussten vom Mobbing schon immer; erst jetzt wissen wir es auch!

Die nächsten Schritte sind „Gewalthandeln benennen lassen = Betroffenheit ermöglichen“, „Einfühlungsvermögen fördern“, „mit den Verhaltensaufhängern für die Aggression arbeiten“, Anspruch auf Unterlassung verdeutlichen“, „ein Helfersystem etablieren“ und für die „Nachsorge – die Überwachung der Menschenrechte“ sorgen.

Bis dahin würde ich sagen war alles im „grünen Bereich“! Nach der Pause wurde ich von der Klasse gebeten auf Kärtchen schreiben zu dürfen, wie es ihnen allgemein persönlich geht.

In Sekundenbruchteilen überwältigt

Dann begann der 1. Schüler zu weinen und teilte uns mit, dass sein bester Freund „Selbstmord“ wegen Mobbings begannen hat; nach einigen Minuten der Trauer, der Bestürzung und auch der Hilflosigkeit sagte die nächste Schülerin mit viel Weinen, dass auch ihre Freundin wegen Mobbings „Selbstmord“ begangen hat.

Eine Situation, die alle Anwesenden in Sekundenbruchteilen überwältigt hat und – wären wir nicht ausgezeichnet geschult und hätten uns nicht die dafür erforderlichen Kompetenzen angeeignet – überfordert hätte.

So konnten wir gemeinsam professionell reagieren und agieren und auch die weiteren Gefühle der SchülerInnen und diese besondere Situation auffangen.

Ein für mich unvergesslicher Tag, eine unvergessliche Klasse, eine unvergessliche Situation, die wieder einmal gezeigt hat, dass die Professionalität in Kombination mit Qualität in der Prävention das Um und Auf für Wirksamkeit, Wirkung und Nachhaltigkeit sind.

Qualität und Prävention ist das Thema des heurigen 7. Österreichischen Präventionskongresses am 12. und 13. November in Graz.
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