3. März 2023
Ein mutiges Mädchen
Zuhause lese ich mir das Feedback von Schüler:innen eines Gymnasiums nach einem Sozialtraining durch; doch dann lese ich folgenden Satz: „Ich habe vor, Suizid zu begehen (Meine Eltern wissen nichts, bitte sagen Sie es ihnen nicht, von Julia! (Name geändert)“ Nach Absprache mit der Schulleitung und der Schulpsychologin (auf Julias Wunsch) – treffen wir die Klassenvorständin. Julia zittert, ist den Tränen nahe und ihre Hände halten sich verkrampft am Stuhl fest. Ich bedanke mich bei ihr für ihren Mut, Hilfe für sich zu holen und ein leichtes Lächeln kommt ihr über die Lippen. Sie erzählt zuerst, dass sie mir diesen „Hilferuf“ deshalb geschrieben habe, weil es um ihre schlechten Noten gehe. Dann erzählt sie, dass sie vermutet, ADHS zu haben. Sie hätte einen Internet-Fragebogen ausgefüllt und statt der 182 Punkte hätte sie nur 65 erreicht. Sie hätte zuerst mit ihrer Mutter darüber gesprochen, die hätte nur „Aha“ gesagt und ihr Vater: „So eine Störung gibt es in der Familie nicht.“ Dann erzählte Julia, dass sie kaum etwas essen oder trinken würde, in der Früh manchmal ein Joghurt und am Nachmittag ein Käsebrot, weil sie bereits in der 4. Volksschulklasse gemobbt worden ist und sie immer mit: „Du bist ja dick!“ beschimpft worden sei; ein regelmäßiges warmes Essen gäbe es auch nicht. Dann erzählt Julia, dass sie jeden Tag ihre Zimmertür versperre. Zum Schluss des langen Gesprächs, war das Zittern und auch die Verkrampfung weg und Julia lächelte ein wenig. Wir alle sind voller Hoffnung, dass wir gemeinsam für dieses mutige Mädchen eine Lösung finden werden.
Liebe Grüße,
Günther