4. März 2024

Das blaue Auge

Nach langem habe ich es geschafft, wieder einmal in Graz spazieren zu gehen und dabei fielen mir in einem Geschäft Plakate auf, die von Gewalt betroffene Frauen zeigten – mit einem blauen Auge.

Ich habe mir überlegt, ob ich oft eine Frau mit einem blauen Auge gesehen habe. Obwohl ich regelmäßig und erst vor kurzem mit patriarchaler Gewalt konfrontiert war, konnte ich mich nicht daran erinnern und vermute, dass es vielen Menschen so geht, denn körperliche Gewalt kann ebenso unsichtbar sein wie psychische Gewalt.

Ich habe mir auch überlegt, was es mit unserer Gesellschaft macht, wenn wir zwar auf Plakaten, aber kaum in der Realität solche Frauen sehen. Ich vermute, dass wir das Thema patriarchale Gewalt an Frauen eher unterschätzen. 

Frauen, die körperliche Gewalt erfahren, sind umso mehr von unsichtbarer psychischer Gewalt betroffen: Isolation, Abhängigkeit, zeitliche, persönliche und finanzielle Kontrolle, Drohungen, Demütigungen, Beleidigungen, u.a. Das führt zu Angst, Hilflosigkeit, Ohnmacht, Trauma, woraus es aus der Sicht der betroffenen Frau kein Entrinnen gibt.

Wir sollten daher aufhören, Plakate mit verletzten Frauen zu zeigen, denn diese stigmatisieren und triggern betroffene Frauen. Wir sollten vielmehr beginnen, Gelder anstatt für Agenturen und Druckereien in eine wirksame Gewaltprävention – wie zum Beispiel in „simple-help“ – zu investieren. So können wir einen realen Beitrag zum Schutz vor Gewalt an Frauen leisten.

LG Günther